Medizinalcannabis-Gesetz 2025: Was das Verbot für Telemedizin und Versandhandel für Ihr Business bedeutet
Einleitung: Die neue Regulierung für Medizinalcannabis
Seit Inkrafttreten des Cannabisgesetzes (CanG) am 1. April 2024 hat sich im Markt für Medizinalcannabis eine Goldgräberstimmung breitgemacht, die die Bundesregierung nun als „Fehlentwicklung“ einstuft und mit einer gezielten Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) beendet. Kern des Problems ist ein explosionsartiger Anstieg der Importe von Cannabisblüten, der nicht durch Verordnungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erklären ist. Dieser regulatorische Wildwuchs wird maßgeblich auf eine Zunahme von Selbstzahlern zurückgeführt, die ihre Rezepte über telemedizinische Plattformen erhalten – oft ohne jeglichen persönlichen Arztkontakt. Dieser Artikel analysiert die zwei entscheidenden Gesetzesänderungen – das Fernverschreibungs- und das Versandhandelsverbot – und erläutert deren konkrete Auswirkungen für Ärzte, Apotheken und betroffene Unternehmen.
Analyse der Ausgangslage: Warum die Bundesregierung jetzt handelt
Die Bundesregierung sieht durch die aktuelle Praxis die Patienten- und Arzneimittelsicherheit gefährdet und begründet ihr Handeln mit einer auffälligen Diskrepanz in den Marktdaten. Der Gesetzentwurf hebt folgende Zahlen hervor, die einen Boom bei Privatrezepten nahelegen:
- Anstieg der Importe von Cannabisblüten: Ein Zuwachs von 170 Prozent vom ersten zum zweiten Halbjahr 2024.*
- Anstieg der GKV-Verordnungen: Im gleichen Zeitraum stiegen die Verordnungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich um 9 Prozent.
**Anmerkung der Redaktion: Die im Gesetzentwurf genannten Jahreszahlen (Daten aus 2024 in einem Dokument aus 2025) sind dem Quelldokument entnommen und werden hier originalgetreu wiedergegeben.
Diese Ungleichheit deutet auf einen stark wachsenden Markt für Selbstzahler hin, der hauptsächlich über digitale Kanäle ohne direkten Arzt-Patienten-Kontakt bedient wird.
Die Risiken im Fokus: Patientensicherheit als oberste Priorität
Die Regierung führt mehrere gesundheitliche und rechtliche Bedenken an, die diesen rein digitalen Versorgungsweg problematisch machen:
- Sucht- und Gesundheitsrisiko: Cannabisblüten sind ein Arzneimittel mit Suchtrisiko. Insbesondere die Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung bei jungen Menschen werden als kritisches Risiko eingestuft.
- Fehlende Arzneimittelzulassung: Cannabisblüten besitzen keine arzneimittelrechtliche Zulassung. Ihre Verschreibung erfolgt ausschließlich als „individueller Heilversuch“ im sogenannten „non-label-Use“. Genau dieser Status ohne wissenschaftliche Evidenz aus klinischen Studien begründet eine erhöhte Sorgfaltspflicht des Arztes und macht eine persönliche Untersuchung und Aufklärung rechtlich unverzichtbar.
- Anonymisierte Versorgungskette: Bei der Verschreibung über Online-Fragebögen und dem anschließenden Versand durch kooperierende Apotheken entfällt der persönliche Kontakt sowohl zum behandelnden Arzt als auch zum pharmazeutischen Personal der Apotheke, was eine sorgfältige Beratung und Aufklärung verhindert.
Die Kernänderungen im MedCanG: Ein Ende für Fernverschreibung und Versandhandel
Um diesen Risiken zu begegnen, werden in § 3 des Medizinal-Cannabisgesetzes zwei zentrale Verbote verankert.
§ 3 (2) MedCanG: Das Ende der reinen Fernverschreibung – Persönlicher Kontakt wird unumgänglich
Die neue Regelung in § 3 Absatz 2 MedCanG schreibt vor, dass die Erstverschreibung von Cannabisblüten zwingend einen persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient erfordert. Dieser muss entweder in der Arztpraxis oder im Rahmen eines Hausbesuches stattfinden.
Folgeverschreibungen per Fernbehandlung sind nur dann zulässig, wenn eine grundlegende Bedingung erfüllt ist: In den vergangenen vier Quartalen (inklusive des laufenden) muss bereits eine Erst- oder Folgeverschreibung nach einem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt in derselben Praxis erfolgt sein.
Begründet wird diese Maßnahme mit der juristischen Einordnung der Behandlung als „individueller Heilversuch“. Da es sich bei Cannabisblüten um ein nicht zugelassenes Arzneimittel mit Suchtpotenzial handelt, unterliegen Ärzte erhöhten Sorgfaltspflichten. Laut Gesetzentwurf sind eine sorgfältige Anamnese, eine körperliche Untersuchung und eine umfassende Aufklärung über Risiken und Alternativen für eine solche Behandlung non-negotiabel und können rechtssicher nur im direkten Kontakt gewährleistet werden. Eine rein digitale Verschreibung wird damit rechtlich unhaltbar.
§ 3 (3) MedCanG: Versandverbot für Cannabisblüten – Die Vor-Ort-Apotheke als alleiniger Abgabekanal
Die zweite wesentliche Änderung in § 3 Absatz 3 MedCanG besagt, dass die Abgabe von Cannabisblüten im Wege des Versandes an Endverbraucher künftig unzulässig ist. Die Aushändigung darf nur noch persönlich in einer Apotheke gegen Vorlage des Rezepts erfolgen.
Ziel dieser Maßnahme ist es, die umfassenden Aufklärungs- und Beratungspflichten des pharmazeutischen Personals sicherzustellen. Patienten sollen direkt in der Apotheke über die korrekte Anwendung, Risiken, Aufbewahrung und mögliche Wechselwirkungen informiert werden. Der Gesetzgeber stellt klar, dass die Versorgungssicherheit dadurch nicht gefährdet wird: Immobile Patienten können weiterhin über den Botendienst der Apotheken beliefert werden, wobei die Zustellung im Bedarfsfall durch pharmazeutisches Personal der Apotheke erfolgen muss, um eine professionelle Übergabe zu garantieren.
Auswirkungen für die Praxis: Das müssen betroffene Unternehmen jetzt wissen
Die Gesetzesänderungen haben direkte und weitreichende Konsequenzen für die Geschäftsmodelle verschiedener Akteure im Medizinalcannabis-Markt.
| Akteur | Wesentliche Auswirkung |
| Telemedizin-Plattformen | Das bisherige Geschäftsmodell der reinen Fernverschreibung von Cannabisblüten ist nicht mehr zulässig. |
| Versandapotheken | Einmaliger Erfüllungsaufwand durch die Umstellung der Vertriebspraxis; Cannabisblüten müssen aus dem Online-Sortiment entfernt werden. |
| Ärztinnen und Ärzte | Kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand laut Gesetzentwurf, da die gebotene ärztliche Sorgfalt bereits einen persönlichen Kontakt erfordert. |
| Vor-Ort-Apotheken | Potenzieller Anstieg der Nachfrage, da der Versandhandel als Vertriebsweg entfällt. |
| Patienten (Selbstzahler) | Kein direkter Erfüllungsaufwand, aber eine Änderung der Versorgungsroutine: Ein persönlicher Arztbesuch und der Gang zur Apotheke werden obligatorisch. |
Fazit: Mehr Sicherheit, weniger digitaler Freiraum
Mit der Novellierung des Medizinal-Cannabisgesetzes stellt die Bundesregierung die Patientensicherheit klar über die digitalen Vertriebsmodelle der letzten Monate. Die Maßnahmen korrigieren eine Praxis, die von der Regierung als Fehlentwicklung bewertet wird. Der Gesetzentwurf betont, dass das Fernverschreibungs- und Versandhandelsverbot das „mildeste Mittel“ darstellt, um einen Missbrauch einzudämmen, ohne die grundsätzliche Versorgung von Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen zu gefährden. Für Unternehmen bedeutet dies eine strategische Neuausrichtung: Weg von rein digitalen Skalierungsmodellen, hin zu hybriden, patientenzentrierten Versorgungsansätzen, die regulatorische Robustheit und medizinische Sorgfalt in den Mittelpunkt stellen.
FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Abgabe von Medizincannabis
Warum wird das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) geändert?
Die Bundesregierung reagiert auf einen explosionsartigen Anstieg von Cannabis-Importen und Privatrezepten über Telemedizin-Plattformen, den sie als Fehlentwicklung einstuft. Da Cannabisblüten keine Arzneimittelzulassung besitzen und ein Suchtrisiko bergen, gefährdet die rein digitale Verschreibung ohne Arztkontakt die Patientensicherheit. Die Gesetzesänderung soll diesen „regulatorischen Wildwuchs“ beenden und die ärztliche Sorgfaltspflicht wiederherstellen.
Darf mir mein Arzt Cannabisblüten weiterhin per Video-Sprechstunde verschreiben?
Reine Fernbehandlungen für die Erstverschreibung sind künftig verboten; ein persönlicher Kontakt (Praxis oder Hausbesuch) ist zwingend erforderlich. Folgeverschreibungen per Telemedizin sind nur zulässig, wenn in den letzten vier Quartalen bereits ein persönlicher Kontakt in derselben Praxis stattfand. Dies stellt sicher, dass notwendige körperliche Untersuchungen für das nicht zugelassene Arzneimittel erfolgen.
Kann ich meine Cannabisblüten weiterhin bei einer Online-Apotheke bestellen und liefern lassen?
Nein, der Versandhandel mit Cannabisblüten an Endverbraucher ist nach § 3 Absatz 3 MedCanG unzulässig. Patienten müssen das Rezept persönlich in der Apotheke einlösen, um eine fachgerechte Beratung zu erhalten. Lediglich für immobile Patienten bleibt der Botendienst der Apotheke erlaubt, sofern die Übergabe durch pharmazeutisches Personal erfolgt.
Warum gelten für Cannabisblüten strengere Regeln als für andere Medikamente?
Cannabisblüten haben keine arzneimittelrechtliche Zulassung und werden als „individueller Heilversuch“ (Non-Label-Use) verschrieben. Wegen fehlender klinischer Studien und des Suchtpotenzials unterliegen Ärzte erhöhten Sorgfaltspflichten. Eine persönliche Untersuchung und Aufklärung sind daher rechtlich unverzichtbar, um Risiken für die Gesundheit – insbesondere bei jungen Menschen – zu minimieren und die Therapiesicherheit zu gewährleisten.
Was bedeuten die Änderungen für Telemedizin-Anbieter und Versandapotheken?
Geschäftsmodelle, die ausschließlich auf reiner Fernverschreibung oder dem Postversand von Blüten basieren, sind nicht mehr zulässig. Telemedizin-Plattformen und Versandapotheken müssen ihre Strategien auf hybride Modelle mit physischem Kontakt umstellen. Vor-Ort-Apotheken könnten hingegen von einer steigenden Nachfrage profitieren, da sie nun als alleiniger Abgabekanal für die persönliche Aushändigung fungieren.




