Neuer Schwung für die Lebensmittelkennzeichnung: Die EU-Richtlinie 2024/1438 im Fokus

Die europäische Lebensmittelbranche steht vor bedeutenden Veränderungen. Mit der am 14. Mai 2024 verabschiedeten Richtlinie (EU) 2024/1438 hat die Europäische Union maßgebliche Anpassungen an den bestehenden Regelwerken für Honig, Fruchtsäfte und weitere Produkte vorgenommen. Ziel dieser neuen Bestimmungen ist es, die Transparenz und den Verbraucherschutz zu stärken sowie faire Handelspraktiken zu gewährleisten. Insbesondere die Regelungen zur Herkunftskennzeichnung von Honig und die Einführung neuer Fruchtsaftkategorien sorgen für Aufsehen in der gesamten Branche, von Imkern über Obstbauern bis hin zu Lebensmittelherstellern und Importeuren.

Die Richtlinie 2024/1438 ist eine direkte Reaktion auf die Ziele des „europäischen Grünen Deals“ und der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, die ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem anstreben. Sie soll Verbrauchern die Möglichkeit geben, fundierte Entscheidungen zu treffen und dabei auch den Ursprung ihrer Lebensmittel zu berücksichtigen. Ein zentrales Element ist dabei die verstärkte Harmonisierung der Vorschriften, um Irreführungen der Verbraucher und Hindernisse im Binnenmarkt zu beseitigen.

Verpflichtende und detaillierte Herkunftsangaben für Honig

Die wohl weitreichendste Änderung betrifft die Kennzeichnung von Honig. Bisher konnte eine Honigmischung aus verschiedenen Ländern mit allgemeinen Angaben wie „Mischung von Honig aus EU-Ländern“ deklariert werden. Diese Regelung hat in der Vergangenheit zu Verwirrung bei den Verbrauchern geführt und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts behindert.

Die neue Richtlinie macht nun klare und verbindliche Vorgaben:

  • Prozentsatz der Herkunftsländer: Das Ursprungsland oder die Ursprungsländer, in denen der Honig erzeugt wurde, müssen auf dem Etikett angegeben werden. Bei Honigmischungen sind die Länder in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils aufzulisten, zusammen mit dem jeweiligen Prozentsatz. Eine Toleranzspanne von 5 % pro Anteil ist dabei zulässig.
  • Ausnahmen für Honigmischungen: Wenn eine Honigmischung aus mehr als vier verschiedenen Ursprungsländern stammt und die vier größten Anteile zusammen mehr als 50 % der Mischung ausmachen, können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass nur diese vier größten Anteile mit ihrem Prozentsatz angegeben werden müssen. Die übrigen Länder sind dann ohne Prozentsatz in absteigender Reihenfolge zu nennen.
  • Codes für kleine Verpackungen: Bei kleinen Verpackungsgrößen von 30 g oder weniger dürfen die Namen der Ursprungsländer durch einen international bekannten zweistelligen Alpha-2-Code gemäß der Norm ISO 3166 ersetzt werden.

Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Transparenz für den Endverbraucher signifikant zu erhöhen und die Authentizität von Honig besser nachvollziehbar zu machen. Es gab in der Vergangenheit Bedenken hinsichtlich verfälschter Produkte, was die Notwendigkeit harmonisierter Analysemethoden und Rückverfolgbarkeitssysteme unterstreicht.Die neuen Regeln treten ab dem 14. Juni 2026 in Kraft, aber Erzeugnisse, die vor diesem Datum in Verkehr gebracht wurden, dürfen bis zur Erschöpfung der Bestände weitervermarktet werden.

Die Kommission plant zudem, bis zum 14. Juni 2029 delegierte Rechtsakte zu erlassen, die Kriterien zur Bestimmung der Herkunft und ein unionsweites Rückverfolgbarkeitssystem für Honig festlegen sollen. Dies schließt auch Machbarkeitsstudien über digitale Lösungen wie eindeutige Kenncodes ein.

Zuckerreduzierter Fruchtsaft: Eine neue Kategorie

Auch im Bereich der Fruchtsäfte gibt es wegweisende Neuerungen. Als Reaktion auf die steigende Nachfrage der Verbraucher nach Produkten mit geringerem Zuckergehalt und um der Reformulierung von Lebensmitteln entgegenzuwirken, führt die Richtlinie (EU) 2024/1438 eine neue Produktkategorie ein.

Die neue EU-Richtlinie definiert „zuckerreduzierter Fruchtsaft“ als ein Erzeugnis, dessen von Natur aus enthaltener Zuckergehalt um mindestens 30 % reduziert wurde. Diese Reduktion muss durch zugelassene Verfahren wie die Membranfiltration oder Hefegärung erfolgen, ohne die wesentlichen physikalischen, chemischen oder ernährungsphysiologischen Merkmale des Saftes zu verändern.

Folgende neue Bezeichnungen sind nun zulässig:

Alte Bezeichnung Neue Bezeichnung Bedingung
Fruchtsaft Zuckerreduzierter Fruchtsaft Zuckergehalt um mind. 30 % reduziert
Fruchtsaft aus Konzentrat Zuckerreduzierter Fruchtsaft aus Konzentrat Zuckergehalt um mind. 30 % reduziert
Konzentrierter Fruchtsaft Konzentrierter zuckerreduzierter Fruchtsaft Zuckergehalt um mind. 30 % reduziert

Diese Neuerung bietet Herstellern die Möglichkeit, auf die veränderten Konsumentenwünsche zu reagieren und gleichzeitig die hohen Qualitätsstandards beizubehalten. Die Verwendung von Süßungsmitteln oder anderen zuckerreichen Zutaten ist bei diesen neuen Kategorien weiterhin nicht zulässig.

Die Richtlinie ermöglicht es den Herstellern auch, Fruchtsäfte freiwillig mit der Angabe „Fruchtsäfte enthalten nur von Natur aus vorkommende Zucker“ zu kennzeichnen. Dies soll die Unterscheidung zwischen Fruchtsaft und Fruchtnektar erleichtern und die Verbraucher über die ernährungsphysiologischen Eigenschaften der Produkte aufklären.

Weitere relevante Änderungen

Die Richtlinie 2024/1438 passt auch die Regelwerke für Konfitüren, Gelees, Marmeladen und eingedickte Milch an. Die Mindestfruchtmenge für die Herstellung von Konfitüren und Gelees wird erhöht, um die Produktion von Produkten mit höherem Fruchtgehalt zu fördern. Die Bezeichnung „Marmelade“ wird künftig primär für Produkte aus Zitrusfrüchten verwendet, wobei Mitgliedstaaten eine abweichende Nutzung für Konfitüren aus anderen Früchten zulassen können.

Zudem wurden weitere Anpassungen vorgenommen:

  • Die Möglichkeit zur Verwendung von Sonnenblumenkernproteinen zur Klärung von Fruchtsäften wird eingeführt.
  • Der Begriff „Kokosnusswasser“ wird als Synonym für Kokosnusssaft in die Richtlinie aufgenommen.
  • Bei eingedickter Milch wird die Reduzierung des Laktosegehalts als zugelassene Behandlung eingeführt.

Diese umfassenden Anpassungen spiegeln das Bestreben der EU wider, ein transparentes, verbraucherfreundliches und nachhaltiges Lebensmittelsystem zu schaffen.

FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Abmahnung und Fristen

Die wichtigste Änderung ist die verpflichtende, detaillierte Herkunftskennzeichnung. Bei Honigmischungen müssen die Ursprungsländer in absteigender Reihenfolge ihres Gewichtsanteils aufgelistet werden, inklusive des jeweiligen Prozentsatzes. Dies soll die Transparenz erhöhen und die irreführende allgemeine Angabe „Mischung von Honig aus EU-Ländern“ ersetzen. Ausnahmen gelten für Mischungen aus mehr als vier Ländern.

Die Richtlinie führt eine neue Kategorie für „zuckerreduzierten Fruchtsaft“ ein. Dies ermöglicht es Herstellern, Säfte anzubieten, deren natürlicher Zuckergehalt um mindestens 30 % reduziert wurde. Diese Produkte können als zuckerreduzierter Fruchtsaft, zuckerreduzierter Fruchtsaft aus Konzentrat oder konzentrierter zuckerreduzierter Fruchtsaft vermarktet werden. Die neuen Regelungen tragen dem wachsenden Interesse der Verbraucher an einer zuckerarmen Ernährung Rechnung.

Die Mitgliedstaaten müssen die nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie bis zum 14. Dezember 2025 erlassen. Die Anwendung dieser Vorschriften beginnt am 14. Juni 2026. Es gibt jedoch Übergangsmaßnahmen: Produkte, die vor dem 14. Juni 2026 gemäß den alten Richtlinien vermarktet oder gekennzeichnet wurden, dürfen bis zur Erschöpfung der Bestände weiterverkauft werden. Dies bietet der Lebensmittelindustrie ausreichend Zeit für die Anpassung.

Die Richtlinie erhöht die Mindestfruchtmenge, die zur Herstellung von Konfitüren und Gelees erforderlich ist. Zudem wird die Bezeichnung „Marmelade“ nun primär für Produkte aus Zitrusfrüchten reserviert. Mitgliedstaaten können jedoch die Nutzung des Begriffs „Marmelade“ als alternative Verkehrsbezeichnung für Konfitüre aus anderen Früchten weiterhin zulassen, wenn dies dem üblichen Sprachgebrauch entspricht.

Bei Honigmischungen aus mehr als vier Ländern können die Mitgliedstaaten bestimmen, dass auf dem Etikett nur die vier größten Anteile mit ihrem Prozentsatz angegeben werden müssen, sofern diese mehr als 50 % der Mischung ausmachen. Die übrigen Ursprungsländer sind dann in absteigender Reihenfolge ohne Prozentangabe zu nennen. Diese Flexibilität soll den freien Verkehr von Honig nicht behindern, während die Verbraucher dennoch umfassendere Informationen erhalten.

Nein, die Verwendung von Süßungsmitteln ist für die neuen Kategorien von zuckerreduzierten Fruchtsäften, zuckerreduziertem Fruchtsaft aus Konzentrat und konzentriertem zuckerreduziertem Fruchtsaft nicht zulässig. Die Zuckerreduktion muss auf physikalischem Weg erfolgen, wie durch Membranfiltration oder Hefegärung. Diese Regelung stellt sicher, dass die natürlichen Eigenschaften des Saftes erhalten bleiben.

Bei sehr kleinen Verpackungsgrößen von Honig (unter 30g) können die vollständigen Namen der Ursprungsländer durch den zweistelligen Alpha-2-Code der internationalen Norm ISO 3166 ersetzt werden. Diese Regelung trägt den technischen Schwierigkeiten bei der Etikettierung kleiner Verpackungen Rechnung, ohne die Information zu beeinträchtigen.

Die Kommission kann Durchführungsrechtsakte erlassen, um harmonisierte Analyseverfahren zur Überprüfung der Honig- und Fruchtsafteigenschaften festzulegen. Eine neue Plattform mit Experten aus Mitgliedstaaten, der Industrie und Wissenschaft soll zudem Empfehlungen für ein Rückverfolgbarkeitssystem und zur Verbesserung von Authentizitätskontrollen erarbeiten.

Die Richtlinien 2001/110/EG (Honig), 2001/112/EG (Fruchtsäfte), 2001/113/EG (Konfitüren) und 2001/114/EG (eingedickte Milch) werden durch die neue Richtlinie 2024/1438 entsprechend geändert. Die neuen Regelungen ersetzen somit die alten Bestimmungen.

Neben Honig, Fruchtsäften und Konfitüren beeinflusst die Richtlinie auch die Regelwerke für Marmeladen, Gelees und eingedickte Milch. Bei eingedickter Milch wird die Reduzierung des Laktosegehalts als zugelassene Behandlung eingeführt. Auch hierbei steht die Anpassung an sich ändernde Verbraucherbedürfnisse im Vordergrund.

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