Botanicals und die Health Claims Verordnung: Ein Update nach den Urteilen von EuGH und BGH

Die Welt der Nahrungsergänzungsmittel ist dynamisch und bietet Herstellern vielfältige Möglichkeiten, innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Insbesondere pflanzliche Stoffe, sogenannte Botanicals, erfreuen sich wachsender Beliebtheit und werden oft mit gesundheitsbezogenen Vorteilen beworben. Doch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind komplex und erfordern höchste Präzision. Die Health Claims Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bildet hierbei die zentrale Säule des Verbraucherschutzes in der Europäischen Union. Sie regelt streng, welche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel gemacht werden dürfen.

Für Unternehmen, die im Bereich der Botanicals tätig sind, ist es unerlässlich, die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung genau zu verfolgen. Insbesondere die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesgerichtshofs (BGH) haben weitreichende Konsequenzen für die Bewerbung dieser Produkte. Sie unterstreichen die Notwendigkeit einer fundierten rechtlichen Beratung, um Abmahnungen und kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. In diesem Blogbeitrag beleuchten wir die Kernpunkte dieser Entscheidungen und zeigen auf, was Lebensmittelunternehmen jetzt wissen müssen.

Die Health Claims Verordnung im Überblick: Schutz für den Verbraucher

Die Health Claims Verordnung (HCVO) wurde geschaffen, um ein hohes Maß an Verbraucherschutz zu gewährleisten und gleichzeitig faire Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt zu schaffen. Ihr Hauptziel ist es, irreführende Angaben zu verhindern und sicherzustellen, dass gesundheitsbezogene Aussagen auf einer soliden wissenschaftlichen Grundlage basieren. Die Verordnung unterscheidet dabei grundsätzlich zwischen zwei Arten von Angaben:

  • Nährwertbezogene Angaben: Diese beziehen sich auf den Gehalt eines Nährstoffs (z.B. „reich an Vitamin C“).
  • Gesundheitsbezogene Angaben: Diese stellen einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr eines Lebensmittels oder eines seiner Bestandteile und der Gesundheit her (z.B. „Calcium trägt zur Erhaltung normaler Knochen bei“).

Der Kern der HCVO ist das Zulassungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt: Grundsätzlich sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, es sei denn, sie wurden von der Europäischen Kommission zugelassen und in eine der positiven Listen (Artikel 13 oder 14 HCVO) aufgenommen. Dies soll sicherstellen, dass nur wissenschaftlich belegte und für den Verbraucher verständliche Aussagen getroffen werden. Die wissenschaftliche Bewertung erfolgt dabei durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Das Dilemma der Botanicals: „On-Hold-Claims“ und die Rechtsunsicherheit

Wir liefern wirksames Lebensmittelrecht für echte Unternehmer in den Bereichen Novel Food, Lebensmittel, Bio-Lebensmittel, Functional Food, Diätetika und Nahrungergänzungsmittel.Für viele pflanzliche Stoffe, die sogenannten Botanicals, ist die Situation jedoch seit Langem von Unsicherheit geprägt. Zahlreiche gesundheitsbezogene Angaben zu Botanicals wurden von der Kommission auf eine sogenannte „On-Hold-Liste“ gesetzt, da ihre wissenschaftliche Bewertung durch die EFSA noch nicht abgeschlossen ist oder die Kommission aus anderen Gründen noch keine abschließende Entscheidung treffen konnte.

Dies führte in der Praxis zu einem Graubereich, in dem Unternehmen oft versuchten, mit kreativen Formulierungen zu werben, die den Verbrauchern gesundheitliche Vorteile suggerierten, ohne explizit gegen die Verordnung zu verstoßen.

Die Problematik der „On-Hold-Claims“ liegt darin, dass die eigentlich vorgesehene Liste zugelassener Angaben für Botanicals gemäß Artikel 13 Absatz 3 HCVO bis heute nicht verabschiedet wurde. Dies schuf eine Pattsituation: Einerseits waren die Angaben nicht offiziell zugelassen, andererseits gab es auch kein endgültiges Verbot. Diese rechtsfreie Zone wurde von einigen Marktteilnehmern genutzt, um mit entsprechenden Hinweisen zu werben, was wiederum zu einer Vielzahl von Abmahnungen und gerichtlichen Auseinandersetzungen führte.

Die Klarstellung durch den EuGH: Urteil vom 30. April 2025 (C-386/23)

Das vom Bundesgerichtshof vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C-386/23 („Novel Nutriology“) zielte genau darauf ab, diese Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Der EuGH hatte zu klären, ob gesundheitsbezogene Angaben für Botanicals, die psychische Funktionen oder Verhaltensfunktionen beschreiben oder auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile verweisen, zulässig sind, solange die Kommission die Prüfung dieser Angaben nicht abgeschlossen hat und keine spezielle zugelassene Angabe beigefügt ist.

Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 30. April 2025 (C-386/23) eine klare Linie gezogen: Er entschied, dass Artikel 10 Absätze 1 und 3 der Health Claims Verordnung dem entgegensteht, im Rahmen der kommerziellen Werbung für ein aus „Botanicals“ bestehendes Nahrungsergänzungsmittel spezielle gesundheitsbezogene Angaben über solche Stoffe zu verwenden, die psychische Funktionen oder Verhaltensfunktionen beschreiben oder darauf verweisen, oder auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile solcher Stoffe für die Gesundheit im Allgemeinen und das gesundheitsbezogene Wohlbefinden zu verweisen, solange die Europäische Kommission die Prüfung der gesundheitsbezogenen Angaben über pflanzliche Stoffe im Hinblick auf ihre Aufnahme in eine der Listen der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben nach den Artikeln 13 und 14 der Verordnung Nr. 1924/2006 nicht abgeschlossen hat, wenn den Verweisen keine in diesen Listen enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Verwendung solcher Angaben nach Artikel 28 Absatz 6 dieser Verordnung zulässig ist.

Dieses Urteil bekräftigt den grundsätzlichen Verbotscharakter der HCVO und stellt klar, dass die Untätigkeit der Kommission in Bezug auf die „On-Hold-Claims“ nicht dazu führt, dass diese Angaben automatisch zulässig werden. Der Schutz der menschlichen Gesundheit und des Verbrauchers hat Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.

„Der Schutz der Gesundheit der Menschen und der Verbraucherschutz sind vorrangige Ziele der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006.“

Das BGH-Urteil vom 05. Juni 2025 (I ZR 109/22): Die nationale Umsetzung

Das Lebensmittelrecht bietet Unternehmen einen wichtigen rechtlichen Rahmen, um Sicherheit, Qualität und Verbraucherschutz zu gewährleisten. Durch gezielte Vorschriften und Verordnungen wird der europäische Markt effektiv reguliert. Dies schafft Vertrauen bei den Verbrauchern und sorgt für faire Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Branche.Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 05. Juni 2025 (I ZR 109/22), das auf dem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH in der Rechtssache „Novel Nutriology“ basiert, die europäische Rechtsprechung national umgesetzt. Im konkreten Fall ging es um die Bewerbung eines Nahrungsergänzungsmittels mit Safran- und Melonensaft-Extrakt und Aussagen wie „stimmungsaufhellendes Safranextrakt“ oder „Stressgefühle und Erschöpfung abnahmen“.

Der BGH bestätigte die Auffassung des EuGH, dass die Bestimmungen des Artikels 10 Absätze 1 und 3 HCVO auch auf gesundheitsbezogene Angaben zu pflanzlichen Stoffen (Botanicals) anwendbar sind, selbst wenn die Bewertung und Prüfung durch die Kommission noch nicht abgeschlossen ist. Die vom beklagten Unternehmen verwendeten Angaben wurden als unzulässig eingestuft, da ihnen keine zugelassene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt war und die Voraussetzungen der Übergangsvorschriften des Artikels 28 Absatz 6 HCVO nicht erfüllt waren.

Ein zentraler Punkt des BGH-Urteils war die Feststellung, dass die beworbenen Funktionen (z.B. „stimmungsaufhellend“, „Verbesserung des emotionalen Gleichgewichts“) als psychische Funktionen im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe b HCVO einzustufen sind und nicht als körperliche Funktionen. Dies ist entscheidend, da für psychische Funktionen eine strengere Übergangsregelung (Artikel 28 Absatz 6 HCVO) gilt, die unter anderem einen Antrag vor dem Stichtag 19. Januar 2008 voraussetzt. Da im vorliegenden Fall kein fristgerechter Antrag gestellt wurde, waren die Angaben unzulässig.

Wichtige Erkenntnisse aus dem BGH-Urteil:

  • Anwendbarkeit von Art. 10 HCVO: Artikel 10 Absätze 1 und 3 HCVO sind uneingeschränkt auf Botanicals anwendbar, auch wenn die „On-Hold-Claims“ noch nicht abschließend bewertet wurden.
  • Keine automatische Zulässigkeit: Die Untätigkeit der Kommission führt nicht dazu, dass nicht zugelassene Angaben automatisch zulässig werden.
  • Strenge Auslegung der Übergangsregeln: Insbesondere für psychische oder verhaltensbezogene Funktionen (Art. 13 Abs. 1 Buchst. b HCVO) ist die Übergangsregelung des Art. 28 Abs. 6 HCVO nur bei fristgerechter Antragstellung (vor dem 19. Januar 2008) anwendbar.
  • Vorrang des Verbraucherschutzes: Der Schutz der menschlichen Gesundheit und des Verbrauchers vor irreführenden Angaben hat oberste Priorität.

Konsequenzen für Lebensmittelunternehmen: Was ist jetzt zu tun?

Die Urteile von EuGH und BGH senden ein klares Signal an alle Unternehmen, die mit Botanicals werben: Die Zeiten der Grauzonen sind vorbei. Eine unsachgemäße Werbung kann zu empfindlichen Sanktionen führen, darunter Abmahnungen, Bußgelder und im schlimmsten Fall der Rückruf von Produkten. Für Lebensmittelunternehmen, die weiterhin erfolgreich am Markt agieren möchten, ergeben sich daraus folgende dringende Handlungsempfehlungen:

1. Umfassende Bestandsaufnahme und Prüfung bestehender Claims

Gesundheit bedeutet körperliches Wohlbefinden, geistige Balance und soziale Stärke für ein erfülltes Leben.Unternehmen sollten umgehend alle verwendeten gesundheitsbezogenen Angaben für ihre Botanical-Produkte überprüfen. Dies umfasst nicht nur Produktetiketten, sondern auch Online-Shops, Marketingmaterialien, Social-Media-Auftritte und jegliche andere Form der kommerziellen Kommunikation. Jede Angabe muss kritisch hinterfragt werden, ob sie den strengen Anforderungen der HCVO entspricht und wissenschaftlich belegt ist. Besonderes Augenmerk sollte auf Angaben liegen, die psychische oder verhaltensbezogene Funktionen betreffen, da hier die Übergangsregeln besonders restriktiv sind.


2. Formulierung zulässiger Aussagen und wissenschaftliche Absicherung

Wissenschaft und Forschung treiben Innovation voran, erweitern Wissen, fördern Fortschritt und verändern nachhaltig Gesellschaft.Zukünftige Werbeaussagen müssen präzise formuliert und auf zugelassene Health Claims beschränkt werden. Wenn keine spezifische, zugelassene Angabe für ein Botanical existiert, ist Vorsicht geboten. Allgemeine, nicht spezifische Verweise auf gesundheitliche Vorteile sind nur zulässig, wenn ihnen eine in den Listen nach Art. 13 oder 14 HCVO enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Experten, um die Wirksamkeit der Botanicals objektiv und nachvollziehbar zu belegen. Es gilt der Grundsatz: Keine Werbung ohne wissenschaftlichen Nachweis!


3. Abgrenzung zu Arzneimitteln

Medikamente lindern Schmerzen, heilen Krankheiten, stabilisieren Gesundheit und verbessern nachhaltig Lebensqualität.Die Abgrenzung zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneimitteln ist nach wie vor eine Herausforderung. Aussagen, die eine krankheitsbezogene Wirkung suggerieren, sind für Lebensmittel grundsätzlich unzulässig und führen zu einer Einstufung als Arzneimittel, mit weitreichenden regulatorischen Konsequenzen. Die Verwendung von Botanicals, die traditionell in der Medizin eingesetzt werden, erhöht das Risiko einer solchen Einstufung. Unternehmen müssen daher sicherstellen, dass ihre Produkte ausschließlich als Lebensmittel beworben werden und keine arzneiliche Wirkung beanspruchen.


4. Proaktive Rechtsberatung und Risikomanagement

Rechtsberatung schafft Klarheit, schützt Interessen, löst Konflikte und stärkt Mandanten durch professionelle Unterstützung.Angesichts der Komplexität der Materie und der hohen Abmahngefahr ist eine frühzeitige und umfassende rechtliche Beratung unerlässlich. Eine spezialisierte Anwaltskanzlei kann Unternehmen dabei unterstützen, rechtssichere Marketingstrategien zu entwickeln, potenzielle Risiken zu identifizieren und im Falle einer Abmahnung schnell und effektiv zu reagieren. Dies beinhaltet auch die Prüfung von Produktformulierungen und die Begleitung bei der Kommunikation mit Aufsichtsbehörden.


Die folgende Tabelle fasst die wesentlichen Unterschiede zwischen zulässigen und unzulässigen Claims für Botanicals zusammen:

Kriterium Zulässige Claims (Beispiele) Unzulässige Claims (Beispiele nach EuGH/BGH)
Wissenschaftliche Absicherung Basierend auf von EFSA zugelassenen und in Listen (Art. 13/14 HCVO) aufgenommenen Angaben. Ohne wissenschaftlichen Nachweis oder mit „On-Hold-Claims“ ohne beigefügte zugelassene Angabe.
Bezug zu psychischen Funktionen Nur wenn Art. 28 Abs. 6 HCVO erfüllt (Antrag vor 19.01.2008) und zugelassene Angabe beigefügt. „Stimmungsaufhellend“, „Verbesserung des emotionalen Gleichgewichts“ ohne zugelassene Beifügung.
Allgemeine Vorteile Nur mit beigefügter spezieller, zugelassener gesundheitsbezogener Angabe. „Verbesserung der Lebensqualität“, „Reduktion von Stressgefühlen“ ohne zugelassene Beifügung.
Abgrenzung Arzneimittel Keine krankheitsbezogenen Aussagen; Fokus auf physiologische Funktionen. Aussagen, die eine Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten suggerieren.
Übergangsregelung (Art. 28 Abs. 6 HCVO) Nur für vor dem 19.01.2008 beantragte und den nationalen Vorschriften entsprechende Angaben. Angaben, für die kein fristgerechter Antrag gestellt wurde oder die nicht den nationalen Vorschriften entsprachen.

Fazit: Rechtssicherheit als Wettbewerbsvorteil

Die Urteile des EuGH und des BGH haben die Rechtslage für die Bewerbung von Botanicals in Nahrungsergänzungsmitteln erheblich präzisiert. Der Graubereich der „On-Hold-Claims“ ist nun klar definiert: Ohne eine zugelassene, wissenschaftlich belegte und in den Listen der HCVO enthaltene Angabe ist die Werbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen für Botanicals grundsätzlich unzulässig, es sei denn, die strengen Voraussetzungen der Übergangsregelungen sind erfüllt.

Für Lebensmittelunternehmen bedeutet dies, dass sie ihre Marketingstrategien anpassen und ihre Produktkommunikation kritisch überprüfen müssen. Eine proaktive Auseinandersetzung mit den rechtlichen Vorgaben und eine frühzeitige Einbindung von Rechtsexperten sind entscheidend, um Risiken zu minimieren und langfristig erfolgreich am Markt zu bestehen. Rechtssicherheit ist in diesem hochregulierten Bereich kein Luxus, sondern ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.

Werbung mit Botanicals? Nur mit fundierter Rechtskenntnis und wissenschaftlicher Absicherung!

INFOGRAFIK – Botanicals

FAQ – Häufig gestellte Fragen zu Botanicals und der HCVO

Botanicals sind im Kontext der Health Claims Verordnung (HCVO) pflanzliche Stoffe, die Lebensmitteln, insbesondere Nahrungsergänzungsmitteln, zugesetzt werden und für die gesundheitsbezogene Angaben gemacht werden könnten. Die Europäische Kommission hat eine Vielzahl solcher Angaben auf eine sogenannte „On-Hold-Liste“ gesetzt, da ihre wissenschaftliche Bewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) noch aussteht oder die Kommission noch keine abschließende Entscheidung getroffen hat. Dies führt zu einer besonderen rechtlichen Herausforderung bei der Bewerbung von Produkten, die diese pflanzlichen Stoffe enthalten, da die Anwendung der HCVO auf Botanicals lange Zeit unklar war.

Die Health Claims Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 harmonisiert die Rechtsvorschriften für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, um ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes sicherzustellen. Grundsätzlich sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, es sei denn, sie wurden nach einer wissenschaftlichen Bewertung durch die EFSA zugelassen und in die Listen der zulässigen Angaben gemäß Artikel 13 oder 14 der Verordnung aufgenommen. Dies bedeutet, dass jede Aussage über einen gesundheitlichen Nutzen eines Lebensmittels oder seiner Bestandteile wissenschaftlich abgesichert und offiziell genehmigt sein muss, um Irreführung der Verbraucher zu verhindern.

„On-Hold-Claims“ sind gesundheitsbezogene Angaben über pflanzliche Stoffe (Botanicals), deren Bewertung durch die EFSA oder deren Prüfung durch die Europäische Kommission noch nicht abgeschlossen ist und die daher auf einer speziellen Liste der Kommission veröffentlicht bleiben. Diese Angaben wurden von den Mitgliedstaaten ursprünglich gemeldet, konnten aber aufgrund unterschiedlicher Auffassungen oder fehlender wissenschaftlicher Konsistenz nicht abschließend bewertet werden. Für Lebensmittelunternehmen bedeutete dies lange Zeit eine Rechtsunsicherheit, da diese Claims zwar nicht zugelassen, aber auch nicht explizit verboten waren, was zu einem rechtlichen Graubereich führte und vielfach Anlass zu Abmahnungen gab.

Das EuGH-Urteil vom 30. April 2025 (C-386/23, „Novel Nutriology“) stellt klar, dass Artikel 10 Absätze 1 und 3 der HCVO der Verwendung von gesundheitsbezogenen Angaben über Botanicals entgegensteht, solange die Kommission die Prüfung dieser Angaben nicht abgeschlossen und diese nicht in die Listen der zugelassenen Angaben aufgenommen hat. Dies gilt insbesondere für Angaben, die psychische Funktionen oder Verhaltensfunktionen beschreiben oder auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile verweisen, wenn ihnen keine in den Listen enthaltene spezielle, zugelassene Angabe beigefügt ist. Das Urteil bekräftigt den grundsätzlichen Verbotscharakter der HCVO und betont den Vorrang des Verbraucherschutzes.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 05. Juni 2025 (I ZR 109/22, „Botanicals II“) die Vorgaben des EuGH-Urteils (C-386/23) national umgesetzt. Er bestätigte, dass die Bestimmungen des Artikels 10 Absätze 1 und 3 HCVO uneingeschränkt auf gesundheitsbezogene Angaben zu Botanicals anwendbar sind, auch wenn die Bewertung der „On-Hold-Claims“ noch aussteht. Der BGH stellte klar, dass die Untätigkeit der Kommission nicht zu einer automatischen Zulässigkeit nicht zugelassener Angaben führt. Das Urteil betont die strenge Auslegung der Übergangsregeln, insbesondere für psychische oder verhaltensbezogene Funktionen, wo die Einhaltung eines Antragsstichtags (19. Januar 2008) entscheidend ist.

Besonders kritisch zu bewerten sind nach den Urteilen von EuGH und BGH gesundheitsbezogene Angaben für Botanicals, die psychische Funktionen oder Verhaltensfunktionen beschreiben oder darauf verweisen. Dazu gehören beispielsweise Aussagen wie „stimmungsaufhellend“, „Verbesserung des emotionalen Gleichgewichts“ oder „Reduktion von Stressgefühlen“. Für diese spezifischen Funktionen gelten besonders strenge Übergangsregelungen gemäß Artikel 28 Absatz 6 HCVO, die eine Antragstellung vor dem 19. Januar 2008 voraussetzen. Wenn diese Frist nicht eingehalten wurde oder keine zugelassene, spezielle Angabe beigefügt ist, sind solche Claims grundsätzlich unzulässig.

Ja, Unternehmen sollten umgehend alle verwendeten gesundheitsbezogenen Angaben für ihre Botanical-Produkte überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Dies betrifft nicht nur Produktetiketten, sondern auch alle Formen der kommerziellen Kommunikation, wie Online-Shops, Marketingmaterialien und Social-Media-Auftritte. Jede Angabe muss den strengen Anforderungen der HCVO entsprechen und wissenschaftlich belegt sein. Besonders problematisch sind nicht zugelassene „On-Hold-Claims“ oder allgemeine, unspezifische Gesundheitsverweise ohne beigefügte, zugelassene spezielle Angaben. Die Urteile machen deutlich, dass eine Anpassung zur Vermeidung rechtlicher Konsequenzen unerlässlich

Die wissenschaftliche Absicherung ist der Hauptaspekt bei der Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben und absolut entscheidend. Gemäß der HCVO müssen alle Angaben auf allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen beruhen und durch diese abgesichert sein. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist für die wissenschaftliche Bewertung zuständig, um eine einheitliche und höchstmögliche Bewertungsqualität zu gewährleisten. Ohne eine fundierte wissenschaftliche Grundlage und die entsprechende Zulassung durch die Kommission ist die Verwendung von gesundheitsbezogenen Angaben für Botanicals, abgesehen von eng definierten Übergangsregeln, unzulässig.

Zur Minimierung rechtlicher Risiken sollten Unternehmen eine umfassende Bestandsaufnahme und Prüfung aller verwendeten gesundheitsbezogenen Angaben für ihre Botanical-Produkte vornehmen. Zukünftige Werbeaussagen müssen präzise formuliert und auf zugelassene Health Claims beschränkt werden. Eine klare Abgrenzung zu Arzneimitteln ist unerlässlich, um eine Fehlklassifizierung zu vermeiden. Darüber hinaus ist eine frühzeitige und umfassende proaktive Rechtsberatung durch spezialisierte Anwälte entscheidend, um rechtssichere Marketingstrategien zu entwickeln, Risiken zu identifizieren und im Falle einer Abmahnung schnell und effektiv zu reagieren.

Die Übergangsregelungen gemäß Artikel 28 Absätze 5 und 6 der HCVO sind noch relevant, aber ihre Anwendbarkeit ist durch die jüngsten Urteile stark eingeschränkt worden. Für gesundheitsbezogene Angaben, die psychische Funktionen oder Verhaltensfunktionen beschreiben (gemäß Art. 13 Abs. 1 Buchstabe b HCVO), ist die Übergangsregelung des Artikels 28 Absatz 6 Buchstabe b HCVO nur dann anwendbar, wenn vor dem 19. Januar 2008 ein Antrag auf Zulassung nach dieser Verordnung gestellt wurde. Da dies für viele „On-Hold-Claims“ nicht der Fall war, können die meisten dieser Angaben nicht mehr über die Übergangsregelung beworben werden. Dies erfordert eine genaue Prüfung der Antragshistorie.

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